50 Jobs – und wie sie sich durch KI verändern werden

50 Jobs – und wie sie sich durch KI verändern werden

Was bedeutet die KI-Revolution für meinen Job? In einer exklusiven Studie zeigen Fraunhofer-Forscher, welche Berufe auch in Zukunft noch gefragt sein werden – und wer sich anpassen muss.

 

 

Berlin Als im November 2022 das Sprachmodell ChatGPT auf den Markt kam, ließ eine Frage nicht lange auf sich warten: Ist das der erste Aufschlag einer Technologie, die die ganze Arbeitswelt umkrempeln wird und Millionen Beschäftigte um ihren Job bringen könnte?

Die Lage scheint dramatisch. Die Liste der KI-Anwendungen, die angeblich in der Lage sein sollen, berufstätige Menschen zu ersetzen, wird immer länger. Manche KI-Modelle erzeugen autonom Bilder für Buchcover oder Poster, so wie es bislang Menschen tun, etwa Fotografen oder Illustratoren.

Manche Anwendungen werten in Echtzeit Finanznachrichten aus und übersetzen sie für Anleger in Handlungsentscheidungen, so wie Anlageberater. Und wer beim Stuttgarter Versicherer Adam Riese eine Haftpflichtversicherung für seinen Hund beantragen will, braucht auf der Website nur ein Foto des Haustiers hochzuladen. Eine KI schätzt dann Risiko und Preis der Police ab. Eine manuelle Prüfung durch einen Sachbearbeiter? Nicht mehr nötig.

Künstliche Intelligenz als Heilsbringer oder Bedrohung für Beschäftigte

Solche Entwicklungen gibt es einerseits bereits in der Praxis – und rufen andererseits auch Untergangspropheten auf den Plan, die millionenfachen Jobverlust fürchten. So seien 60 bis 70 Prozent der heutigen Jobs theoretisch automatisierbar, hieß es Mitte Juni von den Experten des McKinsey Global Institute, dem volkswirtschaftlichen Thinktank der Unternehmensberatung.

Und von der Investmentbank Goldman Sachs las man im März in einem Bericht, dass KI das Äquivalent von 300 Millionen Vollzeitarbeitsplätzen ersetzen und ein Viertel der Arbeitsaufgaben in den USA und Europa erledigen könne.

Andere Experten nehmen wiederum an, dass Künstliche Intelligenz den Menschen die Arbeit nicht wegnehmen, sondern eher erleichtern wird: indem sie wiederkehrende Routinetätigkeiten übernimmt und dem Menschen damit mehr Zeit für Kreativität, Kommunikation und Teamarbeit lässt.

Außerdem könnte KI sich als ein wahrer Produktivitätsbooster für die Weltwirtschaft entpuppen, glauben einige. Laut McKinsey Global Institute können Technologien wie ChatGPT oder DALL-E – ein Bilderzeugungsprogramm von OpenAI – theoretisch einen jährlichen Produktivitätszuwachs von 2,6 bis 4,4 Billionen US-Dollar ermöglichen.

Ist Künstliche Intelligenz aus Sicht der Beschäftigten nun Heilsbringer oder Bedrohung? Weder noch, sagen neun Forscher vom Fraunhofer-Institut für Arbeitsforschung und Organisation (IAO) in Stuttgart. Unter der Leitung des Arbeitsforschers Martin Braun haben die Wissenschaftler exklusiv für das Handelsblatt eine Studie durchgeführt, in der sie Antworten auf die Frage geben: Wie wird Künstliche Intelligenz einzelne Berufe transformieren?

Die Forscherinnen und Forscher haben dafür exemplarisch 50 Berufe ausgewählt, sie reichen von der Lehrerin über den Recruiter bis hin zur Stadtplanerin. Für jede der Tätigkeiten wagen die Experten eine vorsichtige Prognose.

Wie wird der jeweilige Beruf sich in fünf Jahren womöglich durch Künstliche Intelligenz verändert haben? Welche Aufgaben werden noch in der Hand von Menschen liegen, was wird eine Maschine erledigen? Welche Jobs sind besonders widerstandsfähig gegen die KI – und welche könnten tatsächlich ersetzt werden?

Für jeden der 50 Jobs haben die Wissenschaftler eine Bewertung in jeweils zwei Kategorien abgegeben.

  • Kategorie eins ist der Transformationsgrad. In welchem Umfang wird sich ein Job durch den Einsatz von KI mutmaßlich in den kommenden fünf Jahren verändern? Zwei Sterne stehen für eine starke Veränderung des Berufsbilds, ein Stern steht für eine eher geringe Veränderung.
  • Kategorie zwei ist das Wachstumspotenzial. Wie wird sich der Arbeitskräftebedarf in einem Job in den kommenden fünf Jahren entwickeln? Für Jobs mit zwei Sternen in dieser Kategorie prognostizieren die IAO-Forschenden, dass der Bedarf an Arbeitskräften zunehmen wird. Bei Jobs mit nur einem Stern werden eher weniger Arbeitskräfte als heute benötigt werden.

 

Auch Sie können sich und Ihre Tätigkeit in unserer Grafik verorten – oder, falls Ihr Job nicht vorkommt, zumindest sehen, wie die Zukunft ähnlicher Berufe laut den Forschern aussehen könnte.

Wichtig: Die Prognosen des IAO-Forschungsteams sind erste Schätzungen – keine unumstößlichen Vorhersagen. „Die Entwicklung von Künstlicher Intelligenz und ihr betrieblicher Einsatz sind ein hochdynamisches Feld, in dem Prognosen grundsätzlich unsicher sind“, sagt Braun. Daher hätten er und sein Team sich auf die zwei zentralen Fragen beschränkt: Wie sehr wird sich ein Beruf mutmaßlich verändern? Und werden in diesem Beruf künftig eher mehr oder eher weniger Arbeitskräfte benötigt?

Mit den Szenarien, die er in seiner Studie entwickelt, will Braun auch Ängsten in der Bevölkerung entgegentreten. „In unseren Projekten erleben wir, welche unklaren und teilweise unrealistischen Erwartungen an Künstliche Intelligenz zuweilen vorherrschen: Von der autonomen ,Wundertechnik‘, die sämtliche Probleme löst, bis hin zu existenziellen Risiken, die durch eine ,entgrenzte KI‘ hervorgerufen würden.“

Dabei werde KI schon heute in vielen Bereichen eingesetzt. „Die meisten KI-Anwendungen weisen enge, klar umrissene Funktionalitäten auf“, sagt Braun, „die in den seltensten Fällen die menschliche Intelligenz bedrohen oder den Menschen zur Untätigkeit verdammen.“

KI visualisiert Design-Ideen

Diese Erfahrung macht auch Philipp York Martin. Er ist Kreativdirektor bei Mutabor, einer Berliner Design-Agentur mit 165 Mitarbeitern. Von Mutabor stammt etwa das Design der blauen Adidas-Schuhkartons. Weitere Kunden sind BMW, Volkswagen, Porsche, Brenntag oder die Deutsche Fußball Liga.

Martin arbeitet bei Mutabor am meisten mit zwei Berufsgruppen zusammen, die auch in der Fraunhofer-Studie vorkommen: Grafikdesignern und Marketingexperten. Diese zwei Berufe bewerteten die Forscher in beiden Bereichen mit der jeweils höheren Sternewertung. Heißt: Dem IAO zufolge werden sich die zwei Jobs stark verändern und der Bedarf nach Arbeitskräften wird steigen.

Die Transformation der Tätigkeiten ist schon jetzt spürbar, sagt Philipp York Martin. So nehme die KI den Designern bei Mutabor bereits das aufwendige Visualisieren von Ideen ab. Er macht das an einem fiktiven Beispiel deutlich: Bringt etwa eine Textilfirma eine Tasche auf den Markt und wünscht sich eine Vermarktungsstrategie dazu, müssen die Marketingexperten keine Zeit mehr für umständliche Fotomontagen aufwenden.

Schon beim ersten Pitch könnten er und sein Team stattdessen dank einer KI zeigen, wie die Tasche an bestimmten Typen von Models aussähe: „Das wäre früher nur durch aufwendige Retuschen und 3D-Renderings möglich gewesen.“

Auch der Arbeitskräftebedarf bei der Agentur steigt in den Bereichen Grafikdesign und Marketing, so wie vom IAO prognostiziert. Mutabor sucht Leute, unter anderem Prompt Engineers. Das sind Menschen, die Befehle an eine KI so zielgerichtet eingeben können, dass die Maschine die optimalen Ergebnisse liefert.

Die ideale Kandidatin oder der ideale Kandidat sollte laut Mutabor-Inserat Sprachmodelle wie ChatGPT verstehen und sich für „Natural Language Processing“ interessieren – also für die Frage, wie Computer und Mensch in möglichst natürlicher Sprache miteinander kommunizieren können. Ein Profil, für das sich laut Mutabor unterschiedliche Fachexperten interessieren: Sowohl designbegeisterte Softwareexperten als auch technikinteressierte Designerinnen hätten sich bereits beworben.

Georg von Richthofen: Differenzierung statt Dystopien

Georg von Richthofen forscht am Berliner Humboldt Institut für Internet und Gesellschaft (HIIG) zum Thema „Künstliche Intelligenz und Wissensarbeit“. Das Vorgehen seiner Forscherkollegen vom Fraunhofer-IAO findet der Wissenschaftler sinnvoll: „Es ist richtig und wichtig, dass solche Szenarien entwickelt werden – auch wenn am Ende vielleicht Teile der Prognosen revidiert werden müssen.“

Genau wie IAO-Forscher Braun wirbt auch von Richthofen dafür, differenziert auf die Frage zu blicken, wie Künstliche Intelligenz die Arbeitswelt beeinflussen kann – statt Dystopien zu entwerfen, in denen KI vermeintlich alle Jobs überflüssig macht.

Dadurch entstehe eine lähmende Angst, die dazu führe, dass man die Realität aus dem Blick verliere. Genauso problematisch sei auch das umgekehrte Extrem. „Wer KI als reinen Heilsbringer sieht, verliert dabei ihre Risiken aus den Augen“, so von Richthofen.

Stattdessen sollten laut von Richthofen andere Fragen in den Fokus rücken: Wie können Unternehmen den Umgang mit KI im Sinne ihrer Belegschaft gestalten? Welche Zusatzqualifikationen sind für einzelne Berufstätige sinnvoll? Wer übernimmt die Verantwortung für Produkte oder Dienstleistungen, an deren Entstehung eine KI maßgeblich beteiligt war?

„Wir sollten uns im Diskurs nicht ausschließlich darauf fokussieren, was KI für die Anzahl der Jobs bedeutet“, sagt der Experte, „sondern auch darauf, was sie für die Qualität unserer Arbeit bedeutet.“

Ein Leitsatz, den wohl auch Britta Matthes so unterschreiben würde – allerdings mit Einschränkungen. Matthes ist Soziologin, sie leitet am Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) in Nürnberg eine Forschungsgruppe mit dem Namen „Berufe in der Transformation“.

Zu ihrem Job gehört auch viel Feldforschung: Oft ist sie auf Messen und in Unternehmen unterwegs, um sich dort zeigen zu lassen, wie KI und andere neue Technologien in der Praxis eingesetzt werden.

Ihre Erfahrung hat Matthes gelehrt: Nur, weil etwas theoretisch automatisierbar ist, heißt das nicht, dass es zwangsläufig auch automatisiert wird. Prognosen zur Zukunft bestimmter Jobs betrachtet sie daher skeptisch. „Solche Vorhersagen haben viele Beschränkungen“, sagt Matthes. Auf drei davon weist sie exemplarisch hin:

  1. Das Kulturproblem

„Ob und in welchem Ausmaß KI in Unternehmen zum Einsatz kommt, ist auch eine Kulturfrage“, sagt Britta Matthes. Sie selbst sei erst vor wenigen Wochen zu Besuch in einem großen Unternehmen gewesen, in dem autonom fahrende Gabelstapler eingesetzt wurden, oder vielmehr: eingesetzt werden sollten.

„Die sehr teuren Gabelstapler standen an der Seite und wurden von den Arbeitskräften nicht genutzt“, berichtet Matthes. Möglicherweise habe das daran gelegen, dass die neue Technik den Mitarbeitenden Angst gemacht habe. Fakt sei: Inwieweit sich KI in Unternehmen verbreitet, hängt nicht nur von der technischen Entwicklung ab – sondern immer auch davon, wie gut das Management die eigene Belegschaft bei der Transformation begleitet.

  1. Das Ethikproblem

„Datenbasierte, automatisierte Entscheidungsprozesse sind nicht automatisch objektiv und fair“, sagt Britta Matthes. Deshalb sei fraglich, ob KI schon in wenigen Jahren ohne Weiteres in sensiblen Bereichen wie etwa bei Personalentscheidungen eingesetzt werden könne.

„Künstliche Intelligenz arbeitet mit Wahrscheinlichkeiten und bereits vorhandenen Informationen“, so Matthes. Das könne beispielsweise bei der Besetzung von Managementpositionen ein Problem werden: „Denn die Auswertung, wer es in der Vergangenheit in eine Führungsposition geschafft hat, ist nicht die Antwort darauf, wer es in Zukunft schaffen sollte.“

  1. Das Wirtschaftlichkeitsproblem

„Nicht immer lohnt es sich wirtschaftlich, für die Lösung eines Problems eine KI zu entwickeln und einzusetzen“, sagt die Expertin. So müssten, um eine KI sinnvoll einsetzen zu können, in der Regel große Mengen valider Daten vorliegen, auf die die KI zurückgreifen kann.

Zu welchen Problemen das führen kann, macht Matthes an einem Beispiel deutlich: „Will zum Beispiel ein Energieunternehmen, das Windkraftanlagen betreibt, eine Aussage darüber treffen, wann bei einer Anlage ein Ersatzteil ausgetauscht werden muss, muss es Daten von vielen gleichen Anlagen haben.“

Solche Daten aber lägen den meisten Betreibern nicht vor. Eine Möglichkeit: sie beim Hersteller der Windkraftanlagen zu bestellen. „Das ist dann sicher ein neues Geschäftsmodell für die Anlagenhersteller“, so Matthes. Ob es sich in diesem Szenario aber für das Energieunternehmen überhaupt noch lohne, KI einzusetzen, sei zumindest fraglich.

„Nicht Berufe, sondern Tätigkeiten werden ersetzt“

Die Crux an Vorhersagen zur Zukunft bestimmter Jobs ist: Menschen erledigen in vielen Fällen eine Fülle einzelner Aufgaben, von denen sich einige automatisieren oder zumindest beschleunigen lassen, andere aber nicht. Genau diese Komplexität wurde Forschenden schon früher zum Verhängnis, wenn sie prognostizieren wollten, wie viele Jobs sich vermeintlich automatisieren ließen. Das wohl prominenteste Beispiel für solch eine Fehlprognose stammt von der Universität Oxford.

Die beiden dortigen Wissenschaftler, Carl Benedikt Frey und Michael A. Osborne, schätzten im Jahr 2013, dass knapp die Hälfte aller Beschäftigten in den USA in den kommenden zehn bis 20 Jahren durch computergesteuerte Maschinen ersetzt werden könnte. Eine Vorhersage, die sich nie bewahrheitet hat – und für die die beiden Forscher viel öffentliche Kritik einstecken mussten.

Auch Forscherin Britta Matthes war bei der Oxford-Studie von Beginn an skeptisch. Die Robotikexperten aus Oxford hätten die Ersetzbarkeit von Berufen eingeschätzt. „Wir wissen aber, dass nicht Berufe, sondern Tätigkeiten ersetzt werden. Die Zusammensetzung der Beschäftigung ändert sich, es entstehen neue Tätigkeiten und Berufe – und die Anforderungsprofile an die Berufe ändern sich.“ Heißt: Meist verlieren automatisierbare Tätigkeiten an Bedeutung. Nicht automatisierbare Tätigkeiten hingegen werden wichtiger oder kommen neu hinzu.

Vor allem Routinetätigkeiten sind durch KI automatisierbar

Letzteres hat das Fraunhofer IAO in seiner Prognose berücksichtigt. Ein Beispiel, das Braun in seiner Analyse* beschreibt, macht das deutlich: So würde ein Sachbearbeiter in der Finanzverwaltung durch den Vormarsch von KI in fünf Jahren nicht arbeitslos. Er prüft in dem Szenario allerdings nicht mehr die eingegangenen Steuererklärungen und überträgt sie in ein dafür vorgesehenes Computersystem – das kann sehr wahrscheinlich die KI für ihn übernehmen. Stattdessen wird er vermehrt da eingesetzt, wo technische Systeme an ihre Grenzen stoßen: zum Beispiel vor Ort bei Betriebsprüfungen, wo er mit Steuerpflichtigen kommunizieren und stellenweise auch Konflikte austragen muss.

Werden Routinetätigkeiten von Maschinen erledigt, bleiben für die arbeitenden Menschen vor allem komplexere, geistig anspruchsvollere Aufgaben übrig – und das Kontrollieren der Arbeit, die von der KI erledigt wurde. „Fähigkeiten, wo Sie als Mensch einen Vorteil haben, werden bedeutender“, sagt Georg von Richthofen vom HIIG. „Dazu zählen zum Beispiel Problemlösungs- und Kommunikationsfähigkeit.“

Künstliche Intelligenz hat oft bessere Ideen als Menschen

Auch Kai Kaapkes Rolle hat sich in den vergangenen anderthalb Jahren zu der eines Problemlösers gewandelt. Er ist beim Reiseunternehmen Tui zuständig für die Preisgestaltung der hauseigenen Flüge. Seit gut anderthalb Jahren lernt in seiner Abteilung eine KI, was einmal alleinige Aufgabe von Kaapkes Teams war: Aus dem Kaufverhalten der Tui-Kunden berechnet die Maschine die optimalen Flugpreise.

Die Intelligenz habe oft andere Ideen als sein Team, sagt Kaapke – und teilweise bessere: „Dort, wo die KI bessere Preise erzielt, analysieren wir, warum – und passen unsere Preisstrategien nach kritischer Beurteilung an.“ Ohne die Prüfung durch sein Team geht trotzdem nichts.

Management im Wandel

Patrick Simon ist Senior Partner im Berliner Büro von McKinsey. Simon ist Mitautor einer Studie, die die Unternehmensberatung im April veröffentlichte. Sie trägt den Titel „State of Organizations 2023“ – und enthält auch ein Kapitel, in dem sich die Autoren mit der Frage beschäftigen: Wie wird sich Künstliche Intelligenz auf die Entwicklung von Organisationen auswirken?

Für Simon steht bei diesem Wandel auch eine Personengruppe im Fokus, mit der er selbst am häufigsten zusammenarbeitet und die auch in der Fraunhofer-Studie vorkommt: Manager. „Die Art der Führung wird auch durch KI eine völlig neue werden“, sagt Simon. „Manager werden in Zukunft nicht nur Menschen führen, sondern Menschen und ihre Erweiterung durch KI.“

Wertschöpfungsketten mit Blick auf KI prüfen

Gute Führungskräfte hätten einen Blick dafür, was sie selbst und ihre Teams leisten können. In Zukunft bräuchten sie den gleichen Blick auch für die Kompetenzen der KI: „Welche KI hilft in welcher Situation? Wo muss eine neue KI hinzugenommen werden, weil sie besser ist? Welche KI ist hilfreicher für die Mitarbeiter, lernt schneller und präziser? Welche Partnerschaften muss ich aufbauen, um die besten Ergebnisse aus KI zu erzielen? Solche Fragen werden stärker in das Sichtfeld der Führungskräfte fallen.“

Simons Rat an Mangerinnen und Manager: Sie sollten sich in ihrem Verantwortungsbereich auf die Suche nach Anwendungsfällen für Künstliche Intelligenz begeben. „Am besten geht man die Wertschöpfungskette durch und schaut, welche Schritte durch KI abgelöst werden können, welche nicht und welche teilweise.“ Danach sollten Manager sich Simon zufolge fragen, für welche nötigen KI-Anwendungen sie welche Talente brauchen – und wo sie diese herbekommen können, wenn sie im eigenen Unternehmen nicht zu finden sind. Klingt nicht danach, als würde Führungskräften so schnell die Arbeit ausgehen.

50 Jobs – Veränderungsgrad: niedrig, Wachstumspotenzial: hoch

  • Kraftfahrer und Fahrzeugführer

Die Automatisierung des Straßenverkehrs ist noch nicht so weit, dass Kraftfahrer ersetzt werden könnten. Assistenztechnik unterstützt diese dringend gesuchten Fachkräfte. Im Schienenverkehr eröffnen sich erweiterte Automatisierungspotenziale: Lokomotivführer übernehmen perspektivisch verstärkt technische Betreuungsaufgaben, was ein vertieftes technisches Verständnis erfordert.

  • Reiseverkehrskaufmann/frau

KI wird zur touristischen Produktgestaltung eingesetzt, indem personalisierte Freizeitangebote geschaffen werden, zum Beispiel Rad- oder Wandertouren. Die KI-basierte Personalisierung steigert die Kundenzufriedenheit.

  • Journalist

Journalisten sammeln, bearbeiten und verbreiten Nachrichten und Kommentare, auch um die öffentliche Meinungsbildung zu unterstützen. Narrative Elemente und authentische Berichterstattung lassen sich nicht ohne Weiteres automatisieren.

  • Fotograf

Die Bedeutung der visuellen Medien nimmt zu. Damit weiten sich Beschäftigungsmöglichkeiten in diesem Berufsfeld aus. Generative KI-Verfahren mit zuvor gelernten Prinzipien und Regeln werden die Bildgestaltung revolutionieren. Eigenständige, qualitativ hochwertige Bildgestaltungen mit Unterstützung durch KI setzen entsprechende Datenmodelle voraus, die es zu erstellen und zu pflegen gilt.

50 Jobs – Veränderungsgrad: hoch, Wachstumspotenzial: hoch

  • Qualitätsprüfer

KI hilft, Sichtprüfungen oder Endkontrollen von Teilen zu automatisieren, bei denen etwa Risse oder Kratzer festgestellt werden. KI-Prüfeinrichtungen werden Fertigungsprozesse zügig durchdringen. Künftig ist bei der Qualitätsentwicklung strategisches Denken gefragt.

  • Stadtplaner

Das Konzept smarter Städte stellt veränderte fachliche Anforderungen an Stadtplaner. Sie arbeiten verstärkt auf Basis von prognostischen Entscheidungsmodellen. Stadtplaner müssen daher Grundlagen der Datenerhebung und -auswertung beherrschen.

  • IT Network Engineer

KI-Anwendungen generieren größeren Datenverkehr in Netzwerken, sowohl aktiv – zum Beispiel beim Verschieben großer Datenmengen in IT-Infrastrukturen – als auch passiv, etwa bei der Online-Datenerhebung bei Endkunden. Das kann unplanmäßige Auslastungsspitzen erzeugen. Der Datenaustausch muss zuverlässig verwaltet werden.

  • IT-Systemadministrator

Durch das Vordringen von KI-Technologien in den Unternehmensalltag werden in allen IT-Berufen zukünftig Datenkompetenz und gute Kenntnisse in der Anwendung von KI-Algorithmen gefordert.

  • Data Scientist

KI-Anwendungen erfordern massenweise Daten in hoher Qualität. Oft sind aber nur inkompatible, inkonsistente und unvollständige Datensets verfügbar. Der Data Scientist organisiert den Datenerfassungsprozess und bereitet Datenbestände auf. Er kooperiert eng mit den Fachexperten.

  • Prompt Engineer

Anfragen in natürlicher Sprache an die KI liefern nicht immer ein verwertbares Ergebnis. Den richtigen Prompt, also den Textbefehl für das gewünschte Ergebnis, zu finden, ist erfolgskritisch. Prompt Engineers sind Experten für KI-gestützte Interaktionen. Sie entwickeln dialogorientierte Schnittstellen wie Chatbots und virtuelle Assistenten.

  • Softwareentwickler und Programmierer

Generative KI wird vermehrt standardisierte Programmiertätigkeiten übernehmen, also Codes generieren. Programmierer widmen sich künftig verstärkt dem Designen und Testen von Software. Es besteht ein anhaltend hoher Bedarf an Software-Experten.

  • Datenschützer, IT-Sicherheitsexperte

In einer digitalisierten Arbeitswelt sind Informations- und Datensicherheit unabdingbare Voraussetzungen für die Wertschöpfung. Das setzt Kenntnisse über die technische und rechtliche Zuverlässigkeit der IT-Systeme voraus. Auch Fake-Inhalte müssen zuversichtlich identifiziert werden.

  • (Natur-) Wissenschaftler

KI wird für automatisierte Literaturrecherche und die statistische Datenauswertung eingesetzt. Das erfordert eine intensive Qualitätskontrolle. Die eigentliche, kreative Forschungsaufgabe bleibt vom KI-Einsatz weithin unberührt: nämlich die Formulierung relevanter Forschungsfragen und die Entwicklung von Forschungsstrategien.

  • Entwicklungsingenieur

KI-Methoden werden in der Produktentwicklung eingesetzt, um die vielfältigen Daten- und Informationsströme aus dem Produktlebenszyklus zu verarbeiten. Aus diesen Informationen wird Wissen extrahiert, das für die Gestaltung künftiger Produkte wichtig ist.

  • Verkehrsplaner

Verkehr und Verkehrsplanung gewinnen an Bedeutung. Verkehrsströme werden mittels KI simuliert und optimiert. Massenhaft erhobene Daten werden mittels KI ausgewertet und bilden eine Grundlage für die Planung des Verkehrsangebots und den Ausbau der Verkehrsinfrastruktur.

  • Intralogistiker

Logistik ist eine hochbedeutsame Branche. Sie nutzt seit jeher das Automatisierungspotenzial digitaler Technologien. Der Automatisierungsgrad wird zunehmen, unter anderem durch den Einsatz flexibler Roboter. Aufgabe der Logistiker ist die Gewährleistung eines zuverlässigen und störungsfreien Einsatzes der KI-Technik.

  • Kommissionierer

In Lägern stellen Kommissionierer üblicherweise bestellte Waren aus einem Sortiment zusammen. Sich wiederholende, manuelle Arbeiten in diesem Bereich werden künftig vermehrt durch Roboter übernommen. Es bleiben einfache Restaufgaben oder anspruchsvolle Wartungsaufgaben.

  • Marketingexperte

KI trägt unter anderem dazu bei, Kundenverhalten vorherzusagen und personalisierte Werbung auszuspielen. Damit hat KI erhebliche Wachstumspotenziale. Marketingexperten müssen sich veränderten Qualifikationsanforderungen stellen.

  • Recruiter

KI-Tools unterstützen bei der Stellenausschreibung und durchforsten Datenbanken nach geeigneten Kandidaten. Datenbasierte Analysen von Mitarbeiterprofilen und Tätigkeitsbeschreibungen identifizieren sinnvolle Maßnahmen der Personalentwicklung. Achtung: KI-basierte Analysen von Personaldaten sind derzeit rechtlich nicht zulässig.

  • Marktforscher

Marktforschung wird durch die automatisierte Auswertung von Social-Media- und Webinhalten geprägt werden. KI-gestützte Methoden unterstützen zum Beispiel bei Nutzerinterviews.

  • Manager

Managementaufgaben sind Planung, Organisation, Führung und Kontrolle. Bei der Planung und Organisation unterstützt KI bei Prognosen und Entscheidungen. Damit wird die Managementaufgabe nicht obsolet, sondern stützt sich auf andere Werkzeuge. Aufgaben der Menschenführung tangiert der KI-Einsatz nur bedingt.

  • Präventionsexperten

In der Computermedizin KI-Methoden werden für Prävention, Diagnose und Behandlung von Krankheiten eingesetzt. Präventionsexperten werten umfangreiche Datenbestände aus und beraten Ärzte, Therapeuten und Patienten.

  • Grafikdesigner

KI kann im Grafikdesign und in der Bildbearbeitung verwendet werden, um verschiedene Bildtypen zu erstellen: Landschaftsaufnahmen, Porträts, Illustrationen und komplexe 3D-Grafiken.

50 Jobs – Veränderungsgrad: niedrig, Wachstumspotenzial: niedrig

  • Landwirt

Im industriell geprägten Ackerbau und in der Viehzucht hält die Automatisierung an, etwa bei der Maschinensteuerung. So passen Landwirte zum Beispiel den Einsatz von Düngemittel an sich verändernde Rahmenbedingungen an. Der geringe Anteil der Landwirte an der Gesamtbeschäftigung wird durch KI nicht zunehmen.

  • Forstwirt

KI hilft hier etwa dabei, komplexe Klimaprognosen zu erstellen. Forstwirte verwerten diese Informationen dann

  • Gartenbauer

Gartenbau ist eine handwerkliche Aufgabe. KI kann zur Simulation von Garten- und Landschaftsgestaltungen verwendet werden. Die Auswirkungen auf die Arbeitstätigkeit der Gartengestalter sind eher gering.

  • Bauhandwerker

Grundsätzlich fehlt im Bauhandwerk qualifizierter Nachwuchs. Es wird angestrebt, verstärkt Angelernte einzusetzen, die durch KI-Systeme angeleitet werden.

  • Koch

Die eigentliche Tätigkeit des Kochens wird durch den KI-Einsatz nur wenig beeinflusst, ebenso wie Vorbereitung und Einkauf.

  • Laborant

Standardisierte Routineaufgaben werden automatisiert: etwa die Justierung von Objektträgern auf einem Mikroskop oder die Erfassung von Messdaten. Allerdings sind Labortätigkeiten durch ein hohes Maß an Zuverlässigkeit, Gewissenhaftigkeit und Flexibilität geprägt. Der Mensch wird hier künftig eine wichtige koordinierende Rolle einnehmen.

  • Kfz-Mechaniker

Kfz-Mechaniker müssen sich immer besser mit digitalen Steuereinrichtungen und der Funktionsweise von E-Autos auskennen. Das findet Ausdruck im Berufsbild des Mechatronikers. Die Auswirkungen der KI auf das Tätigkeitsprofil des Kfz-Mechanikers sind eher gering.

  • Sachbearbeiterin der Verwaltung

Die öffentliche Verwaltung strebt eine Digitalisierung an, um ihre Leistungsangebote zu erweitern und Rationalisierungspotenzial zu erschließen. So werden Kosten gesenkt. Trotz erheblicher Nutzenpotenziale wird sich der Digitalisierungsprozess in der öffentlichen Verwaltung erwartungsgemäß verzögern. Ursache sind strenge Datenschutzregelungen

  • Logopäde

KI unterstützt Logopäden sowie andere Fachkräfte in Therapieberufen bei der Diagnose, indem sie Stimmmuster identifiziert. Dadurch kann eine Therapie individueller und effizienter gestaltet werden. Software zur Dokumentation von Therapien reduziert den persönlichen Aufwand.

  • Lehrer

KI-Anwendungen können Lehrer unterstützen. Ein Beispiel dafür sind tutorielle Systeme, die Schülern Wissen vermitteln – auf Basis von deren individuellem Wissensstand. Allerdings warnen Pädagogen davor, menschliche Lehrkräfte durch Maschinen ersetzen zu wollen, da hierbei wesentliche pädagogische Qualitäten vernachlässigt werden und die Freude der Schüler am Lernen leidet. KI wird diverse Schulverwaltungs- und Planungssysteme übernehmen.

  • Social Media Manager

KI übernimmt die Erstellung von Standardinhalten ohne vertiefte Recherche. Social-Media- und Webinhalte werden mit weniger Aufwand als bisher in die Medienarbeit miteinbezogen.

50 Jobs – Veränderungsgrad: hoch, Wachstumspotenzial: niedrig

  • Industriemeister

Künstliche Intelligenz unterstützt bei der Planung von Fertigungsaufträgen und Personaleinsatz. Das setzt fundiertes Wissen über Produktionsbedingungen voraus. Allerdings ist bei der Planung des Personaleinsatzes immer eine sozial-kommunikative Komponente wichtig. Ihre Bedeutung nimmt zu.

  • Produktionsmitarbeiter

KI assistiert bei der Maschinenbedienung, um den Präzisionsgrad zu erhöhen und Fehler zu ermitteln und zu beheben. Zudem übernimmt KI verstärkt Dokumentationsaufgaben in den Bereichen Wartung und Service.

  • Instandhalter

Über ihre angestammten Aufgaben hinaus müssen Instandhalter auch die Funktionszusammenhänge technischer Anlagen verstehen.

  • Facility-Manager

Durch KI-Algorithmen entstehen neue Kooperationen: zwischen „KI-Dirigenten“ in einer Leitwarte und „Vor-Ort-Kräften“, die mittels Virtual oder Augmented Reality in der Fernwartung unterstützt werden. Eine KI-gestützte Assistenz verändert die Qualifikationsanforderungen an das Servicepersonal vor Ort. Das Personal führt zugleich verstärkt einfache Tätigkeiten durch.

  • Architekt

Durch generative KI entstehen neue Planungsprozesse entlang der Wertschöpfungskette. Gute, große Büros erschließen neue Geschäftsfelder, kleinere Büros fokussieren sich auf manuelle, nicht standardisierte Tätigkeiten – etwa Überwachung der Bauausführung oder Projektsteuerung.

  • Technischer Einkäufer

Künstliche Intelligenz unterstützt beim Filtern relevanter Daten aus einer Datenmenge und bei der Klassifikation von Dokumenten. Sie hilft so bei der Entscheidungsvorbereitung. KI-Systeme wählen beispielsweise Produkte aus und stellen Produktvergleiche an.

  • Kundendienstmitarbeiter

Chatbots und Voicebots ersetzen vermehrt die persönliche Kundeninteraktion. Menschliche Interaktion wird nur noch im Hochpreissegment von Waren hinzugezogen. KI-basierte Kundendatenbanken geben Hinweise zur Kundenpflege und zum personenbezogenen Servicelevel.

  • (System-) Gastronom

Hier ist ein Trend zur Systemgastronomie festzustellen. KI wird in der Gastronomie eingesetzt, um die bedarfsgerechte Planung des Speisenangebots zu optimieren.

  • Kriminalpolizei

Unter strengen Rechtsbedingungen wird KI-basierte Gesichtserkennung in der Strafverfolgung eingesetzt. KI-Systeme bedürfen hier einer menschlichen Aufsicht und starker rechtlicher Kontrollen. Endgültige Entscheidungen sind stets vom Menschen zu treffen.

  • Arzt

Künstliche Intelligenz unterstützt Behandlungsprozesse, indem sie sich auf Big-Data-Profile stützt, zum Beispiel bei der Hautkrebs-Bilderkennung. KI unterstützt Langzeitmonitoring und -behandlungen mittels Sensordatenerfassung, etwa über Smartwatches. Potenziale werden in der Erfassung von Patientendaten gesehen – sofern keine Datenschutzrechte verletzt werden.

  • Wirtschaftsprüfer

Ein Schwerpunkt für den KI-Einsatz in der Wirtschaftsprüfung ist die Automatisierung von Abstimmhandlungen. Bilanzierungsentscheidungen lassen sich anhand von Standards teilweise automatisieren, ebenso wie das Auswerten von Verträgen und das Verstehen komplexer Transaktionen.

  • Finanzanalyst

Datengestützte Finanzanalysen werden vermehrt durch KI-Systeme übernommen.

  • KI-Schreibtrainer

KI-Schreibtrainer unterstützen Menschen dabei, anspruchsvolle Texte mittels Künstlicher Intelligenz zu produzieren.

  • Redakteur

Redakteure sichten Informationen und bereiten relevante Informationen für ihre Zielgruppen auf. Diese Informationsrecherche wird zukünftig stärker durch KI-Systeme ausgeführt. Demnach wird die Anzahl der qualifiziert Arbeitenden in diesem Berufsfeld abnehmen, die Qualität ihres professionellen Vorgehens hingegen steigen.

  • Dolmetscher und Übersetzer

Die Bedeutung von (Simultan-)Übersetzung wird in globalen Arbeitskontexten zunehmen. Allerdings werden viele Übersetzungsleistungen automatisiert. Muss ein Text spezifische Formate und Anforderungen an betriebliche Kommunikation erfüllen, kann ein KI-System allerdings nur begrenzt unterstützen – zum Beispiel bei komplexen Produktbeschreibungen.

 

Erstpublikation: 30.06.2023, 04:00 Uhr. Im Handelsblatt (Julia Beil / Christian Mayer

Quelle Titelbild:  von Gerd Altmann auf Pixabay